"D'Musikante chömid" - Zur Tradition der Obwaldner Bläsertanzmusik

Die vorliegende Forschungsarbeit untersuchte die Tradition der Bläsertanzmusik in Obwalden, denn als Teil einer reichen Volksmusikpflege im Kanton und in Unterscheidung zur Entwicklung des Blasmusikwesens wurde dieses spezifische musikalische Wirken in seinem historischen Kontext noch kaum erfasst. Mit dem Aufschwung der Militärmusik konstituierten sich ab Mitte des 19. Jahrhunderts vielerorts Musikvereine, etwa in den 1840er-Jahren in Sarnen und Engelberg oder in den 1870er Jahren in Alpnach und Lungern. Aus diesen Formationen taten sich häufig einige Musikanten – es waren effektiv nur Musikanten, noch keine Musikantinnen – zusätzlich zu einer bewusst klein besetzten «Blechmusik» zusammen, um, meistens zu fünft oder zu sechst, an Fasnachts- und Älplerkilbitagen zum Tanz aufzuspielen. Bisweilen wurde das Ensemble mit Violinen und Kontrabass zur «Streichmusik» ergänzt. Die Bläsertanzmusik grenzte sich von der Blasmusik ab. Oder anders formuliert: Zur Dorfmusik trat die Tanzmusik hinzu, zum repräsentativen Auftritt explizit der funktionale. Das Repertoire der Musikgesellschaften wurde in Stimmenheften notiert, denn viele Bläser waren im Notenlesen zumindest minimal geschult. Ebenso praktizierten es die Kleinformationen, sie spielten ihre Tanzmelodien und Begleitsätze nicht mehr nur aus dem Stegreif. Das war ein Novum für die ländliche Tanzmusik und damit verbunden deren nun unmittelbare Überlieferung. So haben sich Noten der um die Jahrhundertwende bestehenden Bäbi-Muisig um den Klarinettisten Josef Bäbi in Alpnach sowie der sogenannten Schwandermuisig um Alois Britschgi auf der Schwendi, auch er ein Klarinettist, erhalten. Die beiden Kapellen stehen exemplarisch für dieses Musikantentum. Die Erschliessung der beiden Notensammlungen in Zusammenarbeit mit dem Staatsarchiv Obwalden war Gegenstand des Forschungsprojektes. In den übrigen Obwaldner Gemeinden von Sarnen bis nach Engelberg gestaltete sich die Tanzmusikpflege damals ähnlich. Eine Bestandsaufnahme zu den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten bildete die Hauptaufgabe des Projektes und geschah vor allem durch das Einsehen von Vereins- und Privatarchiven, von lokalem Schriftgut und wenigen Bilddokumenten. Das Material lässt Rückschlüsse auf die zeitgenössische Wahrnehmung und Rezeption ziehen. Komplettiert wurde die quellenkritische Auseinandersetzung mit dem Einbinden von individuellem, meist nur mündlich tradiertem Faktenwissen. Die Entwicklung dieser Bläsertanzmusik, die unter der Bezeichnung Bauernmusik subsumiert, aber noch nicht als Ländlermusik beschrieben werden kann, schloss als solche und zur gegebenen Zeit den ganzen Alpenraum mit ein. Für Obwalden signifikant und damit prädestiniert für eine entsprechende Erhebung waren die Dichte an Formationen und deren gegenseitiges Ein- und Zusammenwirken in einem klar umrissenen geografischen Raum. Noch heute hält in Lungern die Älplerchiuwi-Muisig und auf der Schwendi die Schwander Fiifermuisig an diesem musikalischen Erbe fest. Ausserdem in die Projektarbeit aufgenommen wurde das Schaffen der Alpnacher Musikerpersönlichkeit Robert Barmettler, das zwar nur am Rande mit dem gegebenen Forschungsinhalt zu tun hat, aber bedeutsam für die Herausbildung des Schweizer Schlagers aus der Volksmusik zu Beginn der 1940er-Jahre ist.+ Reihe: Forschungsbericht der Hochschule Luzern – Musik 2